Hier sind wir!

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Informationen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Inhalt

„Hier sind wir!“ Ein Titel, der Lust macht auf die Perspektive einer jungen Feministin, der zu gemeinsamen Dialogen einladen will und Einblick in die historische Entwicklung eines feministischen Berufsverständnisses im Rahmen der ersten und zweiten deutschen Frauenbewegung gewährt. Darüber hinaus wird der Blick auf eine neue Generation feministischer Frauen gerichtet und berufliche Selbstverständnisse erforscht. Unter Berücksichtigung politischer Entwicklungen werden damit aktuelle Bezüge und historisch gewachsene, frauenbewegte Traditionen kritisch geprüft und Alternativen im Bezug auf intergenerative Beziehungen entwickelt.

 

 

Prof. Dr. Elke Schimpf

„Sowohl die theoretischen, wie auch die empirischen Erkenntnisse enthalten wertvolle Hinweise, die zur Reflexion und Einschätzung gesellschaftlicher Konfliktsituationen und deren Einfluss auf den Berufsalltag genutzt werden können. Die Autorin liefert mit ihrer Arbeit einen Beitrag zur Förderung einer intergenerativen Konfliktkultur, die vielfältige Perspektiven für eine gender- und frauenpolitische Praxis eröffnet (...).“

 

Prof. Dr. Margitta Kunert-Zier

in: Betrifft Mädchen Heft 1/2010

 

 

„Ganz viel Freiheit, ganz wenig Orientierung“ oder „Junge Feministinnen wollen die Welt verändern, wissen aber noch nicht genau, wie und wo!“

 

Diese für das Buch von Linda Kagerbauer charakteristischen Zitate verweisen auf Spezifika und Konfliktlinien der neuen Feministinnengeneration, in die das Buch ausgiebig Einblick gewährt. Linda Kagerbauer hat mit ihrer ursprünglich als Diplomarbeit verfaßten Veröffentlichung ein leidenschaftliches Plädoyer für den Beginn eines feministischen Generationendialoges innerhalb der Sozialen Arbeit vorgelegt. Sie gibt damit der jüngeren Generation eine Plattform zur Äußerung feministischer Fragen, Interessen und Wünsche und appelliert gleichzeitig an die Generation der Älteren, auf die jungen Frauen zuzugehen und das Generationenlernen zu eröffnen. Selbstbewusst, unter Rückgriff auf feministische Forschungstradition, nutzt die Autorin dabei auch die eigene berufsbiographische Verortung als Feministin und ihre Erfahrungen im intergenerativen Kontakt als Erkenntnisquellen und macht sich selbst zum „Forschungssubjekt“ (37).

Nach einem historischen Rückblick auf die Entwicklung eines feministischen Berufsverständnisses in der Sozialen Arbeit im ersten Teil werden im zweiten Teil die Ergebnisse einer Gruppendiskussion mit jungen, sich feministisch definierenden, Sozialpädagoginnen und ein Expertinneninterview mit einer Repräsentantin der älteren feministischen Generation vorgestellt und analysiert sowie intergenerative Perspektiven aufgezeigt.

Die Autorin wirft im ersten Teil einen Blick auf die Wurzeln feministischer sozialer Arbeit und setzt sich mit zentralen Strömungen der ersten Frauenbewegung kritisch auseinander. Es folgt ein Streifzug durch die zweite Frauenbewegung mit ihren Diskursen und Prinzipien, die die feministische Sozialarbeit maßgeblich geprägt haben. Unter dem Titel „Matratzen raus!“ wird das Kapitel mit einer Rückschau auf den Wandel vom Selbsthilfeansatz zur Institutionalisierung und Dienstleistungsorientierung feministischer Sozialarbeit abgeschlossen. Am Beispiel der Mädchenarbeit wird problematisiert, dass mit ihrer „Normalisierung“ auch ein Prozess der Entpolitisierung feministischer Anliegen stattgefunden hat. Der Zwiespalt den diese Erfolgsstory mit sich bringt wird hier zugespitzt: Mit der Etablierung von Mädchenarbeit in Jugendhilfestrukturen hat sie ihre anfängliche vermeintliche Subversivität und ihr politisches Potential verloren. Auch das Gender Mainstreaming wird in diesem Kontext gesehen. Die Autorin zeigt auf, wie mit der Verlagerung feministischer Anliegen in die Verantwortung gesellschaftlicher Institutionen die Entkoppelung des Fachlichen vom Politischen stattfindet, ein Prozess der– wie unter Rückgriff auf Böhnisch (2005) betont wird , auch für die soziale Arbeit insgesamt gilt.

Vor diesem aktuellen gesellschafts – und berufspolitischen Hintergrund entfaltet die Autorin ihren Anspruch auf den Dialog der Generationen. Mit der leitmotivisch gewählten Parole „Hier sind wir“ entwirft Linda Kagerbauer ein Bild der neuen Generation feministischer Sozialpädagoginnen, die um Anerkennung durch die Älteren ringt, die ihnen – so ihre Anklage – bislang häufig verwehrt wird. Die Älteren, so konstatiert die Autorin, weisen Kritik der Jüngeren mit dem Hinweis, „nicht dabei gewesen zu sein“ zurück, würden aber dennoch erwarten, dass sie sich für den Erhalt feministischer Errungenschaften verantwortlich fühlten. Daraus folgt, so Kagerbauer, „dass junge Sozialpädagoginnen weniger laut und präsent sind und sein können“ (39). Was fehlt, ist „eine gemeinsame Sprache“ – so lange diese fehle, sei auch das Generationenthema durch ein „Verständigungsproblem“ gekennzeichnet. In Anlehnung an Maria Bitzans Kompetenz- und Praxisbegriff des Konfliktmanagement (2000) wirft die Autorin einen forschenden Blick auf mögliche Konflikte, die hinter diesem Verständigungsproblem verborgen sein könnten.

Das mit Hilfe der qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertete Gesprächsmaterial zeigt sehr anschaulich die Generationenbilder, Selbstbilder sowie die Identitäts- und Verortungsversuche der jungen Feministinnen. Sie unterscheiden sich von der älteren Generation vor allem durch die wirksam gewordene Pluralisierung und Individualisierung ihrer Lebenslagen, die von immensen Freiräumen bei gleichzeitiger Orientierungslosigkeit geprägt sind. Neben dem „anything goes“ fühlen sich die jungen Feministinnen nach wie vor von struktureller Benachteiligung betroffen. Der Wunsch, von den älteren Kolleginnen als die neuen Feministinnen anerkannt und respektiert zu werden, wird deutlich. Gleichzeitig spricht die Autorin davon, dass die Älteren „in ihrem feministischen Erfahrungsraum prädestiniert dafür (seien), junge Feministinnen in die Gestaltung alternative Politikbegriffe einzuführen“ (91). Der Auftrag der Generation der älteren Feministinnen sei es, Verantwortung dafür zu übernehmen den jungen Sozialpädagoginnen „Vertrauen, Diskussionswillen und Verhandlungsbereitschaft sowie Beistand zuzusprechen“(100).

Die in dieser Arbeit zu Wort kommende Vertreterin der Generation der älteren Feministinnen zeigt zwar Interesse, aber relativ geringes Wissen über die Jüngeren. Gleichzeitig formuliert sie, dass bei den Älteren der Umgang mit einem feministischen Berufsbild nicht unbedingt so klar ist: „Meine Grundhaltung diese Arbeit zu tun, ist eine feministische. Bin ich deshalb eine feministische Sozialarbeiterin?“(98).

Die Suche nach einem gemeinsamen, generationenübergreifenden feministischen „Wir“ in der Sozialen Arbeit scheint nicht so einfach zu sein. Der Wunsch, an kollektiven Traditionen der zweiten Frauenbewegung, die mehr in den Erinnerungen der ehemals aktiven Feministinnen existieren als in der Realität, anschließen zu können, erscheint heute eher utopisch. Dass die Autorin nur eine Vertreterin der älteren Generation interviewt hat, kann auch als Hinweis darauf gedeutet werden, dass auch diese Generation nicht von Individualisierungsprozessen verschont geblieben ist.

Das Buch gibt eine Vielzahl von wertvollen Anregungen für den Generationendialog. Kritisch anzumerken ist, dass die stellenweise sehr gründliche Beschreibung und Legitimierung der Forschungsmethode die Lesbarkeit erschwert (auch wenn künftige junge Diplomandinnen oder BA-Absolventinnen hier durchaus etwas lernen können).

Das stetige Betonen, dass es sich um junge Feministinnen handelt, wirkt plakativ, weil gleichzeitig Abgrenzungen und Kritik an zentralen Begriffen formuliert und deren aktuelle Unbestimmbarkeit thematisiert wird. Dies gilt ebenfalls für den Begriff der feministischen Sozialarbeit. Vielleicht liegt darin gerade die größte Herausforderrung für den Generationendialog!? Möglicherweise brauchen wir einen neuen Begriff, der die Unbestimmbarkeit und Vielfalt von „feministischen“ Vorstellungen umfasst?

Linda Kagerbauer zeigt, dass bei jüngeren Feministinnen ein Bedarf nach einem Anschluss an die Themen und Traditionen der zweiten Frauenbewegung existiert, auch wenn sie vor der Aufgabe stehen, sich als andere Generation darin selbst zu verorten. Die älteren Feministinnen zum Dialog herauszufordern, finde ich – als Angehörende dieser Generation- in zweierlei Hinsicht reizvoll: Individuell bestünde die Möglichkeit, die vielfach schlummernden Potentiale als politisch denkendes und handelndes Individuum zu revitalisieren und die eigene frauenbewegte Zeit im Austausch mit den Jüngeren in einem anderen Licht zu reflektieren. In gesellschaftlicher Hinsicht wäre die damit verbundene Möglichkeit der Repolitisierung und Rückbesinnung auf kollektive Potentiale für die soziale Arbeit in jedem Fall ein Gewinn. Ob dies dann feministisch, geschlechtergerecht oder „Gender-gemainstreamt“ ist und welche Bedeutung diese Label haben, wird dann noch zu diskutieren sein.